(Artikel & Bilder von Peter Zastrow)
Es ist heutzutage und hierzulande eine Selbstverständlichkeit: Das Wasser kommt aus dem Hahn, so viel und so oft man will und dazu in bester Qualität. Das war in Segeberg nicht immer so. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts versorgten sich die Einwohner aus öffentlichen Brunnen. Vor gut einem Jahrhundert entstand in der Stadt ein Wassernetz.
Im alten Segeberg, das im 17. Jahrhundert nur aus der Lübecker Straße, der Oberbergstraße und dem Winklersgang bestand und rund hundert Häuser umfasste, gab es sieben öffentlichen Brunnen, die sogenannten Sodgemeinschaften zugeteilt waren. Das waren die Bewohner von jeweils etwa 14 Häusern, die nur dort ihr Wasser holen durften. Die damals angelegten Brunnen waren fünf Meter tief und wurden meistens durch Oberflächenwasser gespeist.
Um die Jahrhundertwende traten im Deutschen Kaiserreich immer wieder schwere Typhusepidemien auf. Schon bald hatten Mediziner herausgefunden, dass unsichtbare bakterielle Verunreinigungen des Trinkwassers zu dieser manchmal tödlich verlaufenden Erkrankung führten. Daraufhin wurde 1905 das „Preußische Seuchengesetz“ erlassen, in dem auch schärfere Brunnenvorschriften festgelegt waren. Schließlich trat am 28. August 1907 der Erlass „Für die Beschaffung eines brauchbaren, hygienisch einwandfreien Wassers“ in Kraft. Nun musste wohl oder übel das Segeberger Stadtkollegium tätig werden.
Die Stadtvertreter beschlossen wenige Monate später, am 22. November 1907, die rasche Herstellung von Wasserversorgung und Vollkanalisation. Das Wassernetz war 1910 fertiggestellt. Mit der Kanalisation ließ man sich Zeit. Erst 30 Jahre später, 1936, begann deren Bau, in Betrieb ging sie erst Ende der 1950er Jahre.
Den Auftrag, eine Segeberger Wasserversorgung zu bauen, erhielt die Berliner Firma David Grove. Neben dem Bau des Leitungsnetzes musste sie auch ergiebige Frischwasserbrunnen herstellen. Bei den ersten Bohrversuchen im Frühjahr 1908 an der Stipsdorfer Landstraße stieß sie in 36 Meter Tiefe statt auf Wasser auf Gips und Salz. Daher wurden die Bohrversuche an die Trave verlegt. An der Travebrücke, unterhalb des heutigen Recyclinghofes des Wege-Zweckverbandes, stieß man im Juli 1908 in 50 Metern Tiefe auf sehr ergiebige wasserführende Schichten mit rund 850 Kubikmetern pro Tag.
Für die Stadt hatten die Verantwortlichen einen täglichen Wasserbedarf für Haushaltungen, Landwirtschaft und industrielle Werke von 500 Kubikmetern am Tag angenommen. Somit lieferten die neuen Brunnen ausreichend Wasser. Um in allen Häusern der Stadt einen ausreichenden Wasserdruck zu erhalten, musste ein Wasserturm, wenn möglich auf dem höchsten Punkt der Stadt, errichtet werden. Oben auf dem Kalkberg, so fanden die Stadtväter, wäre der ideale Standpunkt.
Zum Glück genehmigte das Bergamt in Lüneburg diesen Aufstellungsort nicht. So wurde der 36 Meter hohe Wasserturm 1909 auf einem Gartengrundstück neben dem Kalkberg gebaut und gehört somit seit 110 Jahren zur Silhouette der Stadt.
1910 floss das erste städtische Trinkwasser
Im November 1909 war das Hauptrohrnetz in der Hamburger Straße und in der Kieler Straße (heute Kurhausstraße) verlegt. Für Lieferung und Verlegung, einschließlich der Hydranten, Schieber und Nebenmaterialien, berechnete die Berliner Firma knapp 50000 Mark. Für den Wasserturm lieferte sie noch einen eisernen Behälter mit 200 Kubikmeter Fassungsvermögen, der in 17 Metern Höhe eingebaut wurde.
Im Sommer 1910 war es soweit, Trinkwasser floss durch das städtische Rohrnetz. 200 Kubikmeter Wasser am Tag reichten für die rund 5000 Einwohner und den Kurbetrieb des Solbades aus. Für den Badebetrieb pumpte sich die Solbad AG das Wasser direkt aus dem Großen Segeberger See. Nur das Trinkwasser entnahm das Unternehmen dem städtischen Netz.
1970 hatte Bad Segebergs allererstes Wasserwerk im Travetal ausgedient.
35 Jahre lang kam aus dem Travetal genug Wasser für die ganze Stadt, bis ab 1945 Flüchtlinge und Vertriebene Bad Segeberg erreichten. Die Einwohnerzahl verdoppelte sich von 6000 auf 12000. Ein neuer Trinkwasserbrunnen musste gebohrt werden. Erfolgreich zapften die Brunnenbauer eine wasserführende Schicht an, aus der auch die Segeberger Meierei an der Hamburger Straße (heute Rossmann) versorgt wurde, und nahmen am Seminarweg neben der Bürgerschule (heute Gemeinschaftsschule) 1952 ein Wasserwerk in Betrieb. 1960 kam ein drittes Wasserwerk (es war bis 1985 in Betrieb) an der Burgfeldstraße hinzu. Bad Segeberg wurde nämlich 1962 Garnisonstadt, und die Bundeswehr hatte einen Wasserbedarf von 300 bis 400 Kubikmeter pro Tag angemeldet.
Das Wasserwerk an der Trave war 1970 in die Jahre gekommen und wurde stillgelegt. Die Verantwortlichen hatten vorgesorgt und in der Zwischenzeit in der Nähe des Ihlsees ein neues erbaut. Es förderte aus 35 Meter Tiefe durch vier Brunnen das kühle Nass empor. Um stets auf der sicheren Seite zu sein, bezog seit 1974 Bad Segeberg zusätzlich aus Wahlstadt ein Teil seines Trinkwassers.
Obwohl das Wasserwerk und die Brunnen am Ihlsee zwischen 1994 und 1997 saniert wurden, kam die Qualität nicht an die des Wahlstedter Wassers heran. Daher wurde es 2009 stillgelegt. Heute liefert der Energieversorger ews aus sieben etwa 100 Meter tiefen Brunnen, die am Rande des Segeberger Forstes liegen, ausschließlich das Wasser für die Segeberger Bevölkerung. Durch eine dicke Rohrleitung fließt das Wasser unter der Trave hindurch und strömt in einen Zwischenspeicher: zwei Hochbehälter, die am Ende der Straße Neuland stehen.
1997 kaufte ein Privatmann den Wasserturm.
Der Wasserturm hatte 1977 ausgedient. 1988 verkaufte die Stadt ihn an einen Nachtclub-Besitzer. Doch der durfte wegen Auflagen sein Etablissement nicht aufmachen. Die statischen Anforderungen und die baurechtlichen Vorschriften ließen den Versuch eines Gastwirts, hier ein italienisches Restaurant einzurichten, ebenfalls scheitern. So ersteigerte der aus Niedersachsen kommende Immobilienkaufmann Wolfgang Harksen 1997 für 93500 Mark den Wasserturm. Der Sanierungs- und Umbauaufwand war gewaltig. Es entstand ein exquisites, 240 Quadratmeter großes, auf acht Ebenen verteiltes Eigenheim. 2017 erwarb das Grundstück mit dem Turm der Bad Segeberger Hanno Hagemann.